Urteil: Sind Flugzeiten verbindlich?
Reiseveranstalter dürfen Flugzeiten nicht einfach ändern. Oder doch?
Sie freuen sich bereits seit Wochen auf Ihren Traumurlaub. Am Samstag in einigen Wochen soll es losgehen. Abflugzeit: 08:35 Uhr. Dachten Sie. Bis Sie vier Wochen vor Reiseantritt erfahren, dass Ihr Flug erst abends um 18:45 Uhr geht. Leider hätten sich die Flugzeiten geändert, so der Veranstalter. Damit soll Schluss sein, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits im vergangenen Dezember. Nun lieferten die Richter die Begründung zu ihrem Urteil – und stifteten prompt neue Verwirrung.
Verbraucherzentrale klagte erfolgreich gegen TUI
Die Richter des BGH gaben Ende 2013 dem Bundesverband der Verbraucherzentralen Recht, der gegen den Reiseveranstalter TUI geklagt hatte. Grund der Klage war, dass Reiseveranstalter bei Pauschalreisen oftmals mit bestimmten Flugzeiten werben, die am Ende jedoch nicht eingehalten werden. Wehrte sich ein Kunde hiergegen, wurde er auf das Kleingedruckte in den AGBs verwiesen. Dort stand: „Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen“ sowie „Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich“. Diese beiden Klauseln erklärte der BGH für unzulässig.
Zunächst jubelten Verbraucherschützer
Viele Kunden dürften sich gefreut haben, schließlich keimte die Hoffnung auf, dass auf diese Weise nun verbindlichere Aussage direkt bei Buchung möglich seien. Entsprechende Hoffnungen weckten nicht zuletzt die Verbraucherzentralen, die das Urteil als „Meilenstein“ feierten. Die Urlauber wähnten sich im Glauben, nun endlich Planungssicherheit zu erhalten.
Mit der Begründung zum TUI Flugzeiten Urteil folgt Verwirrung
Wer die Urteilsbegründung genau liest stellt jedoch fest, dass der Bundesgerichtshof den Veranstaltern ein nicht genauer definiertes Maß an Flexibilität bei der Planung der Flugzeiten zugesteht. Zwar müsse der Zeitrahmen, in dem sich die Flugzeit bewegen darf, enger gefasst werden. Dummerweise nennt der BGH hier keine (Stunden-) Zahl. Entsprechend werden viele Reiseveranstalter zukünftig austesten, wie weit die zunächst genannten und die tatsächlichen Flugzeiten auseinander liegen dürfen.
Wie werden voraussichtliche Flugzeiten in Zukunft angegeben?
Klar ist: Bei langfristigen Buchungen, bei denen die Urlaubsgäste am Ende mit einem Charterflug (also einem Extra-Flug außerhalb der normalen Linienflüge) reisen, können die Reiseveranstalter nur schwer eine minutengenaue Abflugzeit nennen. Zwei Varianten, wie Veranstalter hiermit umgehen, sind denkbar: Dem Kunden werden überhaupt keine voraussichtlichen Flugzeiten genannt. Weil hier der Werbeeffekt guter Flugzeiten wegfällt, wird diese Variante allerdings eher nicht von allen Anbietern genutzt werden. Wahrscheinlicher ist die Angabe eines Zeitfensters, in dem die endgültige Flugzeit liegen wird. Wie groß dieses jedoch sein darf, wird sich aller Voraussicht nach erst nach einigen weiteren Prozessen herauskristallisieren.
Die Folgen des Urteils
Wie oben bereits angedeutet, hat das Urteil die Erwartung gestärkt, dass Kunden mit festen Flugzeiten rechnen dürfen. Für Reisebüros ist dies eine Zwickmühle: Einerseits will man dem Kunden, der eine möglichst exakte Aussage zur Abflugzeit erwartet, weiterhelfen und ihm diese nennen (voraussichtliche Flugzeiten sind in der Regel für Reisebüros einsehbar, selbst wenn der Veranstalter diese dem Kunden nicht nennt). Andererseits will ein Reisebüro natürlich keine falschen Hoffnungen wecken.
Eine weitere Urteilsfolge ist, dass Kunden, deren Abflugzeiten am Ende zu ihren Ungunsten verlegt werden, zukünftig wohl weitergehende Ansprüche gegenüber dem Veranstalter haben und diese auch einklagen werden. TUI hat bereits angekündigt, diese Zusatzkosten auf die Kunden umlegen zu wollen.
Das BGH-Urteil ist also am Ende nicht so eindeutig positiv, wie es zunächst schien. Dennoch bleibt die Hoffnung, dass sehr gravierende kurzfristige Flugzeiten-Änderungen in Zukunft ausbleiben und die Kunden etwas mehr Planungssicherheit erhalten.
Update: Seit einigen Monaten können AIDA Kunden bereits vor der Zusendung Ihrer Reiseunterlagen im MyAIDA Kundenportal ihre Flugzeiten einsehen. Im Zuge des oben erörterten Urteils hat AIDA ab sofort folgende Regelung eingeführt: Flugzeiten werden erst 90 Tage vor Reisebeginn bekannt geben und es bleibt zunächst dabei, dass die Zeiten erst mit Überreichung des Reisevouchers verbindlich werden. Für ausgewählte Linienflüge werden die Flugzeiten auch erst 60 Tage vor Reisebeginn mitgeteilt. Wobei auch hier vorsichtig mit dem Wort "verbindlich" umgegangen werden muss. Wir haben in den letzten Monaten eine Vielzahl an Flugzeitenänderungen miterlebt, welche Kunden mit bereits übermittelten Vouchern betraff. Es bleibt zum aktuellen Zeitpunkt also abzuwarten, wie AIDA mittel- bis langfristig auf die neue Rechtssprechung reagieren wird.
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